Liebe Michelle
- Vera Rieger
- 2. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Du hast mir letzte Woche gesagt, dass ich unbedingt den Brief am Montag schicken soll, da es dann mehr gelesen wird. Nächstes Mal, ich schwöre. Denn wir wollen hier ja schon kundenorientiert denken, oder. Ich hätte gerne ein Begriff aus dem Marketing-Corporate-Jargon gebraucht, aber ich kenne keine. Ausser USP. Der unique selling point an unserem Blog ist, dass es gratis und wir cool sind.
So, heute ist der 1. April, als Kind liebte ich Aprilscherze, ich habe es fast schon als Feiertag zelebriert, mich tatsächlich darauf gefreut. Als Jugendliche haben mich Leute genervt, die sich über Aprilschätze nerven und über mich selbst, weil mir keine guten einfielen und jetzt könnte ich gleichgültiger nicht sein, vielleicht ein bisschen traurig.
Zur Feier des Tages hier trotzdem zwei Scherze, an die ich mich erinnere:
1. Als ich ungefähr 14 war und noch Leichtathletik trainiert habe, sind wir über die Frühlingsferien ins Trainingslager nach Latsch im Südtirol gefahren. Der 1. April fiel in die Woche und es war in der Zeit, als ich dachte, man müsse Leute verarschen. Deswegen habe ich die Turnschuhe der einen von meinem Zimmer versteckt. Sie war eine sehr scheue, ruhige und korrekte Person. Nachträglich schäme ich mich über meine fehlenden Menschenkenntnisse. Sie war ultragestresst, begann zu weinen und fand es einfach null lustig, lol. Es ist auch kein Schwerz, es war einfach scheisse von mir. Es war so unangenehm, als es dann rauskam.
2. Mein Vater rief frühmorgens in mein Zimmer, dass meine erste Stunde ausfallen würde, was die allerbeste Nachricht für eine aufstehfaule Person wie mich sein konnte. Freue pur. Es stimmte nicht. Das war echt gemein.
Meine Wochenstart war ziemlich rough, da ich gerade nicht weiss, was sonst noch so passiert ist, will ich dir davon erzählen. Vor einer Weile habe ich meiner Therapeutin gesagt, dass ich in meinem Alltag doch mehr Luft habe, als ich gedacht hätte, da ich wusste, dass dieses Semester streng wird. Nun hat sich der Wind gedreht und ich finde nicht einmal mehr ein Termin, um in Therapie zu gehen.
Zurück zu zum Sonntag. Ich hatte geplant, am Nachmittag noch Unterricht für den Montagmorgen zu planen fürs Praktikum, bei dem auch eine PH-Dozentin zur Beobachtung kommen würde. Aufgrund von äusseren Umständen und meinem Reinsteigern in Dinge ging das nicht. Also fing ich erst um 10 damit an. Als ich dann um ungefähr eins ins Bett ging, den Wecker aber extra früher stellte, da ich die Dinge für Musik doch noch nicht fertig hatte, konnte ich mich nicht beruhigen. Ich fiel in einen sehr unruhigen Schlaf, wachte aber etwa 2 Stunden später wieder auf. In meinem Kopf ging ich all die Dinge durch, die ich am nächsten Tag, der nächsten Woche und Monate noch machen muss und fragte mich, wie das alles aufgehen sollte. Darauf habe ich noch keine Antwort gefunden, es nervt mich, da ich mich eigentlich so sehr auf den Mai mit den vielen Highlights freue, aber nicht mal dafür Zeit habe.
Die Nacht lief dann so ab wie eine klassische schlaflose Nacht:
1. unruhiges Im-Bett-liegen, bis irgendwann die Erkenntnis kommt, dass das nichts bringt.
2. Lesen auf der Couch, in der Hoffnung, müde zu werden, was aber nicht passierte. (Sunrise on the Reaping, von dir empfohlen.)
3. Zurück ins Bett gehen und dort ganz, ganz, ganz viel 4-7-8 Atemübungen machen: 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen. Die Atemübung funktioniert bei mir immer, um mich zu beruhigen, aber sie erfordert sehr viel Disziplin. Oft wache ich kurz vor dem Einschlafen wieder auf und muss dann wieder von vorne beginnen.
Ich fragte mich, fühlt sich so ein Burnout an? Das, einfach jede Nacht? Fänd ich unchillig. Als ich endlich erfolgreich war mit 4-7-8 und noch ein bisschen döste, klingelte der Wecker. Ich fuhr in die Schule und schmiss mir nach einer Lektion ein Medikinet ein, in der Hoffnung, dass es mich wachhält. In dem Moment verstand ich den Ruf der leistungssteigernden Droge, da ich es genau dafür benutzte. (nehm ich sonst nie mehr) Ohne etwas gegessen zu haben, stand ich dann ziemlich im Film von 11-12 vor der einen Klasse mit der Dozentin. Ich fühlte mich schrecklich und ultralost, aber die Lektion war okay. Danach hatte durchgehend Kurse oder musste selbst unterrichten bis halb 8, um viertel nach 8 war ich zuhause. So sind nicht alle Tage, zum Glück. Abends hatte ich lustigerweise wieder Energie, so Crazy-Energie aber mit knapp 3 Stunden Schlaf zu unterrichten ist auch für die SuS nicht fair.
Dinge, die ich sonst noch ansprechen wollte: Magnolien. Es ist Magnolienzeit, aber ich habe das Gefühl, dass Magnolienbäume immer nicht ganz oder schon nicht mehr ganz blüten. Weisst du, was ich meine? Und schlafen Magnolien nachts? Magnolien sind etwas sehr Fragiles.
Das zweite sind meine Tomtatensprösslinge, selten war ich auf etwas so stolz, da ich eigentlich gar keinen grünen Daumen habe. Eine ganze Pikierschale voll wächst bei uns in der Küche langsam heran, das Pikieren habe ich aus einem maximal schlecht produzierten Youtube-Video von 2010 von irgendeinem Thomas gelernt. 10/10 -Updates folgen.
Hier noch die Kategorien:
Etwas zum Hören: Ich hatte es gestresst und ohne jegliche Hoffnung auf Anklang als Lückenfüller im Franzunterricht geplant, aber jetzt liebt es meine Klasse, sie wollen es die ganze Zeit singen und der eine meinte, wenn er das Lied höre, fühle er sich gleich aufgestellt und fröhlicher. (ein 15-Jähriger!) Les Champs-Élysées von Joe Dassin.
Etwas zum Lesen: Lese nicht viel, meine to-read Liste ist relativ lange.
Etwas zum (nicht) Glotzen: Sonntag vor einer Woche haben wir Wunderschöner im Kino geschaut. Den ersten hatte ich vor drei Jahren alleine in Hamburg geschaut, als ich eine Woche zur "Hochschulbesichtigung" da war. Ich hatte im Kino non-stop geweint und bin deswegen mit grossen Hoffnungen rein gegangen. Doch die wurden rigide enttäuscht. Der Film will zu viel, will zu sehr feministisch und Frauenbonding sein, geht aber nur um (relativ) reiche, gutgestellte Frauen. Also nicht-Tipp. Aber der erste, zum Nachschauen. (Besteht nur aus Montagen)
Etwas zum Essen: Spinatspätzli.
Wort der Woche: Windböhen.
Omg. Der nächste Brief werde ich von Sizilien aus schicken und das wird der allerbeste Brief ever werden, versprochen.
Alles Liebe
Vera




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