Liebe Michelle
- Vera Rieger
- 19. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Nov.
Du hast mich schon lange nicht mehr so gestresst! Aber das finde ich super. Ich hoffe, deine Situation hat sich mittlerweile etwas beruhigt und nicht wiederholt. Ich habe gerade Rückmeldungen an SuS in ein Wocheninfo-Dok geschrieben, deswegen muss ich schauen, dass ich mich nun im Ton finden kann. Weg vom Schuljargon, welches ich immer noch nicht ganz beherrsche, zurück zum Briefton, was auch immer das bedeuten soll.
Ich versuche meine Woche in mehr oder weniger zusammenhängenden Anekdoten zu erzählen.
Letzten Dienstag ging mein Handy kaputt, weil es mir wiederholt heruntergefallen ist. Der Bildschirm hat nur geflackert. Also habe ich den Mittwoch und meinen freien Donnerstag (da Zukunftstag war) damit verbracht, nach Teilen zu suchen, um den Bildschirm auf einem externen Bildschirm anzuzeigen. Das Teil konnte ich dann (nach 7 Shops) finden, aber ich musste schliesslich feststellen, dass diese Funktion beim USB-C Anschluss meines Handys nicht funktioniert. (Ich erspare hier die Fachtermini, auch wenn ich sie jetzt kenne). Also gab es ein neues Handy und die Daten habe ich noch nicht wieder. Muss warten, bis mein Bruder das aus China bestellte Display montieren kann… Erstaunlich wie schnell Insta heruntergeladen war…
Am Samstag durfte ich einen Text an der BuchBasel lesen. Du hast mir im Anschluss gesagt, dass du fast ein bisschen weinen musstest, als ich begonnen hatte und dass du stolz seist. Das hat mich wahrscheinlich am meisten gefreut. Du hast mir auch geschrieben, ich soll etwas flexen. Dann habe ich gesagt, dass ich ja dafür seit mehr als einem Jahr nicht mehr gemacht hätte und dann hast du gesagt, dass ich ein Michi sei. Und das habe ich dann akzeptiert. Das krasseste war glaub dieser Bändel mit der Gast-Aufschrift, das hat schon dolle Impostergefühle ausgelöst. Ich wollte den dadurch freien Eintritt auch ausnutzen und habe mir Lesungen angehört. Das hat mich inspiriert. Es ist schön zu sehen, auf wieviel Resonanz so ein Festival stösst, die Veranstaltungen waren gut besucht und bei der einen Lesung gab es geradezu Beef (wirklich, es wären fast Fäuste geflogen), da nicht mehr alle mit Tickets hereingekommen sind. Das macht mir Hoffnung für deine berufliche Zukunft. Meine Lesung war schön, auch wenn ich mir etwas allein vorgekommen bin auf der Bühne. Es war ungewöhnlich für mich, ohne Zeitdruck zu lesen. Der beste BuchBasel-Moment war aber, glaube ich, als ich Eduard Louis gesehen habe. Ich habe mein Buch nicht mehr signieren lassen, da die Schlange so lange war, aber Eduard Louis habe ich das erste Mal gelesen, als ich noch am Gym war, eines der ersten Bücher, die ich auf Französisch las. Sein Erstling hat sehr viel mit mir gemacht und seither bin ich so ein bisschen mitgegangen. Da er strikt autobiografisch schreibt, ist es möglich, so richtig in das Louis’sche Universum einzutauchen. Dazu bei den Empfehlungen mehr.
Ich hatte eine Vorlesung, bei der es um ADHS ging und die ganze Vorlesung bestand daraus, dass der Prof die Symptome herunterratterte und anhand von Beispielen damit bewies, dass er selbst ADHS hat, lol. (hat er wirklich, nicht ironisch) Das war etwas wild und ich glaube, das Krasseste (okay, ich muss sagen, das Tröstlichste) war der Fakt, dass er dieses Jahr schon sein 4. Handy hat, da er immer sein Handy verliert oder einmal z.B. draufgestanden ist. Deswegen kaufe er auch immer nur das günstigste, meinte er. Relatable dieses Gefühl für alles, aber ich habe nicht das günstigste gekauft.
Ich habe mir die ChatGPT-Zahlversion gekauft. An der PH wird in Gruppenarbeiten einfach davon ausgegangen, dass innerhalb von 5 Minuten ein präsentabler Text über andere Texte, Modellen oder was auch immer steht. Bitte verzeih mir. Mein Gruppenpartner meinte, dass er sich für seine Masterarbeit vielleicht die Version für monatlich 200 Franken hohlen möchte. Das fand ich krass. Ich dachte am Anfang, dass KI vielleicht zu Chancengleichheit beitragen kann, aber wenn man sich erst eine richtig teure KI leisten muss, um effizient zu sein, dann ist das schon alles sehr tragisch.
So, das wars von mir auch schon diese Woche, nun zu den Empfehlungen.
Etwas zum Hören: Bin ich zu spät? Das neue Album von Lilly Allen, Ruminating lief mir die ganze letzte Nacht nach.
Etwas zum Lesen: Monique s’évade von Édouard Louis. Es geht um seine Mutter, die sich von ihrem zweiten gewalttätigen Partner trennt, zu sich findet und daraufhin ihre Freiheit voll auskostet. Im Vergleich zu seinen anderen Büchern, die von Gewalt durchzogen sind, wird hier das freie Leben gefeiert. Es ist ein Stück weit auch Selbstinszenierung des Autors als Retter seiner Mutter, die so der Armut entkommt. Aber ich mag seine Bücher, da die Sprache sehr zugänglich und leicht ist, man aber trotzdem reingezogen wird in die komplexe Welt. Musste ich vor dem Schlafen fertiglesen (sind auch nur 110 Seiten.) Ich finde auch, dass Louis einer der einzigen «Klassenaufsteiger» durch Bildung ist, welcher sich nicht durch sein Werk von seiner Herkunft abhebt. Obwohl er als Autor sehr Paris' elitären intellektuellen Kreisen zugeordnet ist, findet er eine zugängliche Sprache, die meiner Meinung theoretisch verschiedene Milieus ansprechen bedarf . Die literarischen Referenzen halten sich in Grenzen.
Etwas zum Glotzen: Fällt mir gerade nichts ein.
Etwas zum Essen: Randensalat.
Alles Liebe
Vera




Kommentare