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Liebe Vera

  • Michelle Harnisch
  • 22. Apr.
  • 6 Min. Lesezeit

Ich habe den Brief schon letzte Woche angefangen, aber nur ein paar wenige Zeilen geschrieben. Am Donnerstag im Bus habe ich folgendes in meine Handy-Notizen getippt:

 

Ich hoffe, die Sonne scheint auf dich und dein hochgelagertes Knie herunter, und du geniesst die sizilianische Patisserie und ein Aperol Spritz. Bei uns regnet es wieder (hat es schon eine Weile nicht mehr richtig, darum okay), und ich hatte vier Bad-Hair-Days nacheinander. Nieselregen verträgt sich überhaupt nicht gut mit meinen Locken und mein Anti-Frizz-Spray war diese Woche ein treuer Begleiter. Die Haare standen sogar senkrecht von meinem Kopf ab, wenn ich meine Haare in Zöpfchen hatte, das ist wirklich the worst. Ich nehme an, du kennst das.

 

Ich lasse das so stehen. Aber anfügen möchte ich, dass sich der Regen dieses Mal nicht so wirklich auf meine Stimmung ausgewirkt hat, was eigentlich gut war. Natürlich bin ich im Kopf viel bei dir und deinem Knie, ich hoffe sehr, du konntest Palermo und die Zeit mit L. trotzdem geniessen und etwas Energie tanken. Ich freue mich jedenfalls, mich bald auf einen Kaffee bei dir einzuladen, wenn du wieder daheim bist. Gerade stütze ich mich nämlich sehr fest auf der Zeit mit dir und mit anderen Freund*innen ab. Vielleicht ein bisschen zu sehr, aber L. meinte, das sei voll okay. Das hat mich etwas beruhigt. Aber deshalb hatte ich auch letzte Woche ziemlich volles Programm. Habe es aber zum ersten Mal seit langer Zeit trotzdem geschafft, auch zwischendurch etwas für die Uni zu machen, worauf ich ein bisschen zu stolz bin. Man sollte meinen, ich kann das nach gesamthaften elf Semestern (uff, diese Zahl tut weh, sage ich ehrlich).

 

Letzte Woche war ich wirklich viel unterwegs, ich gebe dir einen Umriss. Am Sonntag haben wir L.s Regentonne angemalt und in eine El-Tony-Dose verwandelt, um ihre Dachterrasse etwas aufzupimpen. Leider löst sich die Farbe an einigen Stellen schon fast, obwohl wir schichtenweise Lackierspray, den uns eine etwas verwirrte Hornbachmitarbeiterin empfohlen hat, darübergesprayt haben. Naja. Danach war ich mit P. ein zweites Mal in der Dreigroschenoper und ich fand sie, glaube ich, noch besser als beim letzten Mal. Vielleicht, weil ich wusste, was mich erwartet. Einige Rollen wurden von anderen Schauspieler*innen gespielt als beim letzten Mal und sie improvisieren ja viel, daher war es auch nicht genau gleich. P. fand das Stück auch sehr gut, was mich beruhigt hat. Ich hasse es, wenn man jemanden irgendwohin mitnimmt und dann nie sicher ist, ob die Person es auch gut findet oder nicht. In der ersten Hälfte war ich daher auch etwas angespannt, aber als sie in der Pause genauso hype war wie ich, konnte ich die zweite Hälfte dann besser geniessen. Am Dienstag war ich dann noch einmal im Theater. J. und ich haben eine Inszenierung in Bern von «Nimm die Alpen weg» von Ralph Tharayil gesehen (Funfact, der ist ans gleiche Gymi wie wir gegangen). Banger, imfall. Zuerst war ich etwas besorgt, weil es keine richtige Bühne gab. Es war einfach ein Raum, gestuhlt war in zwei Reihen den Wänden entlang. Alles schrie nach Mitmachtheater, worauf ich gar keine Lust hatte. Habe ich übrigens nie. Hasse ich wirklich sehr fest. Ausserdem trugen die Schauspieler*innen keine Schuhe, worauf in mir auch einige Alarmglocken abgegangen sind. Schuhe finde ich schon wichtig. Meistens sind mir diese Barfuss-Theater zu experimentell und zu abgespacet. Aber war es dann nicht, es war wirklich sehr gut. Und es war sehr schön, J. wieder einmal zu sehen. Donnerstag hatten wir Handballtraining und es hat sich von jetzt an anscheinend etabliert, dass es am Gründonnerstag eine Osterolympiade gibt. Nachdem ich letztes Jahr (mit grossem Abstand) den letzten Platz geholt habe, war ich dieses Jahr im stabilen Mittelfeld. Du kannst es dir eigentlich als eine Art Pfadi-Anlass vorstellen, hin und wieder holt mich das schon sehr ab. Danach Dorfausgang, wie gehabt.

 

Am nächsten Tag dann Karfreitags Familienzmittag (mit zweieinhalb Stunden Schlaf, rip) in Bern. Die Papi-Seite der Familie sehe ich übers Jahr nur so zwei bis drei Mal, daher ist es immer ein bisschen anstrengender als bei der Mami-Seite. Mehr generelle Updates und Smalltalk halt. Abends war ich aber mit Mama beim Grosi und wir haben einfach nur gegessen und geredet. War sehr schön. Und ich bin jetzt wieder über den ganzen Dorf-Gossip informiert. Mein Hang zum Tratschen kommt nicht von nichts. Am nächsten Morgen, bevor wir auf den Zug gegangen sind, ist dann noch mein Gotti zum Kaffee vorbeigekommen. Diese drei Generationen Frauenrunde gibt mir immer sehr viel und das hat sehr gutgetan. Ohne jetzt kitschig zu klingen, hilft es mir irgendwie auch bezüglich Körperbild immer sehr. Mich trifft in dieser Runde jeweils die Realisation, dass ich mit drei Frauen zusammensitze, die so gleich aussehen wie ich, die den gleichen Körper haben wie ich, die ich alle so wunderschön finde. Und das ist ein mega schönes Gefühl. Weil ich ihnen erzählt habe, wie ungerne ich momentan arbeite und wie anstrengend ich es gerade finde, hat mein Gotti mir bei der Tschüss-Umarmung gesagt: «Es isch glii Juni» und irgendwie war das hilfreicher als alles, was ich mit vielen anderen besprochen habe. Manchmal braucht’s eben einen Gotti-Talk und sei er noch so kurz. Darum auch für dich und all deinen Stress: «Es isch glii Juni.»

 

Eines der Highlights war der Ostermontag. Shirin David Konzert in Zürich. Am Morgen haben wir gebruncht in einer kleineren Gruppe als in anderen Jahren, weil L. und du in Palermo wart, aber wir haben die Tradition trotzdem aufrecht gehalten. Nachmittags habe ich mich dann mit S. und L. geschminkt und fürs Konzert ready gemacht. S. musste wieder ihre Make-Up-Skills auspacken und hat absolut geliefert. Bei mir viel Pink, generell viel Glitzer. Es wurde übermässig Koffein konsumiert, aber das ist okay. Das Konzert abends war wirklich ein absoluter Banger. Mein Schlussrating ist 8/10. Die Show war richtig gut, mit irgendwie fünf Outfit-Wechseln, Back-Up-Tänzer*innen und wechselndem Hintergrund. Ich war etwas voreingenommen, weil ich auf TikTok hörte, dass die Show nicht so gut sei, aber mich hat sie wirklich überzeugt. Shirin David hat gut gesungen, gut gerappt und sie ist ehrlicherweise auch wirklich sehr hot. Absoluter Slay, wirklich. Die einzigen zwei Minuspunkte sind, dass das Hallenstadion vielleicht halbvoll war (whack) und dass der Ton am Anfang richtig schlecht war. Man hat nicht einmal die Worte verstanden und die ersten zwanzig Sekunden hat sich der Ton sogar so überschlagen, das war etwas krass. Aber sonst wirklich sooooo gut.

 

Ich habe diese Woche also viel Qualittime mit meinen Leuten gehabt. L. habe ich letzte Woche fast jeden Tag gesehen. Das erinnert mich ein bisschen an die Gymi-Zeiten, wo wir uns alle fast jeden Tag sahen. Wir haben in der Schule zusammen Zmittag gegessen und uns dann abends noch getroffen. Und wenn wir uns nicht getroffen haben, haben wir geskypt oder telefoniert. Ich weiss, dass das nicht für immer realistisch ist, erwarte ich auch nicht. Aber Freund*innen so als Fixpunkt zu haben, bedeutet mir gerade sehr viel. Ich freue mich auf den Sommer, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Oder wenigstens mit weniger schlechtem Gewissen Dinge aufschieben kann, weil es weniger aufzuschieben gibt.

 

Der Brief ist jetzt etwas protokollarisch geworden, ich hoffe, das passt. Weil ich so viel Programm hatte, war ich in Gedanken nicht so sehr bei mir. Meine Therapeutin hat mir zum wiederholten Mal Meditation empfohlen, also sollte ich das vielleicht wirklich einmal üben. Die letzten paar Male, als ich es vor dem Schlafengehen versucht hab, geriet ich danach jeweils in eine Gedankenspirale und konnte dann nicht einschlafen, weil das mit dem «Nicht-Denken» überhaupt nicht funktioniert hat. Vielleicht also lieber am Morgen?

 

Hier noch meine Kategorien:

 

Etwas zum Glotzen: Ich wiederhole mich mit meiner Empfehlung für die 17. «Drag Race» Staffel. Am Freitag lief das Finale, die Queen, die ich am meisten mochte, hat gewonnen. Wieder einmal eine absolute Banger-Staffel, nachdem mich die letzten paar nicht so reingezogen haben.

 

Etwas zum Hören: «Ich darf das» von Shirin David.

 

Etwas zum Lesen: Ich lese gerade viel für die Uni und als Puffer zwischendrin hab ich noch einmal den zweiten Band der ACOTAR Reihe angefangen. «A Court of Mist and Fury» von Sarah J. Maas. Zieht mich rein, ist spannend, ist hot, ich liebe die Figuren – einfach ein guter Fantasy-Roman.

 

Etwas zum Essen: Vegi-Aufschnitt aus der Migros. Gab’s beim Brunch am Ostermontag.

 

Wort der Woche: Schlau-fit.

 

So, das war’s. Lager dein Knie hoch und geniess das Wetter. Viel Spass dir im Kurs und bis bald!

 

Alles Liebe,

Michelle


verpixeltes Shirin David Bild <3
verpixeltes Shirin David Bild <3

 
 
 

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