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Liebe Vera

  • Michelle Harnisch
  • vor 1 Tag
  • 5 Min. Lesezeit

In einer Woche habe ich Prüfung, dann Abgabe eines Vorlesungsskripts und einer Seminararbeit (wenn ich sie jetzt überhaupt noch schreiben kann, und nicht zu spät bin, wir werden sehen, was meine Dozentin auf meine Verzweiflungsmail antwortet…). Das heisst, wie in jeder Endsemesterstresszeit suche ich mir neue Hobbys und Interessen und bin jede Sekunde jeden Tages nur einen einzigen dummen Impuls von einem neuen Haarschnitt weg. Ich bi eis vor Vokuhila, so schlimm isch es momentan. Ich liebäugle schon seit längerem damit oder mit einem Wolf Cut, vielleicht ist es auch dasselbe, und habe viele TikToks von Leuten mit diesen Frisuren abgespeichert. Machen werde ich es vermutlich nicht, denn ich halte mich sicher bis nächste Woche davon ab und danach übernimmt mein rationaler Teil hoffentlich wieder. Ich brauche Haare, die man gut zusammenbinden kann, alles andere überleben meine Nerven nicht, denke ich. Sport mit Haaren im Gesicht ist nämlich the worst.


Mein Hyperfokus hat sich ebenfalls wieder verschoben, dieses Mal leider in eine extreme Pick-Me-Richtung. Der ständige Fussball-Talk meiner Mitbewohnerin und meines Bruders haben endlich gewirkt. Ich will nicht zu sehr ins Detail, das ist zu cringe. Mein Bruder ist Feuer und Flamme dafür und findet es mega toll, mit mir über seine Interessen reden zu können, was irgendwie auch schön ist. Er lässt sich ja schliesslich auch immer auf meinen Handball-Talk ein. Betrunken im Ausgang hat er bereits ein Premier League Team herausgesucht, das ich unterstützen soll. Die Auswahl bestand aus einer Mischung aus «Welli Liibli findsch schön?», Chat GPT, seiner persönlichen Meinung und einer Glücksrad-App auf seinem Handy. Er hat für mich entschieden, dass ich Newcastle Fan werden soll. Auf Tutti habe ich einen Tag später Sporthosen gesucht und eine für 10.- mit dem Newcastle Logo gefunden von einem Dude in Muttenz. Wenn das kein Zeichen ist! Ich lasse das so stehen, lol.


Was mir ebenfalls Freude bereitet, ist das Fussball spielen selbst. Ich han scho ewigs nümm gschuttet, Vera! Leider ist unser Freund*innenkreis überhaupt nicht Kick begeistert, Volleyball ist da höher im Kurs. Letzte Woche habe ich trotzdem drei Leute gefunden, die am Samstagnachmittag in Liestal auf dem Fussballplatz mit mir Penalty-Rundlauf gespielt haben und zwei Stunden aufs Goal geschossen haben. Absoluter Slay, wirklich. Mein rechter Fuss und seine Bänder waren etwas überfordert, das hätte ich ahnen können, aber nach ein paar Tagen war das auch wieder in Ordnung. Ich habe es aber geschafft, diesen Fokus in meine Lernzeiten zu integrieren. Achtung peinlich: ich lerne jetzt jeweils eine Stunde, dann spiele ich 10-15 Minuten Fussball in meinem Hinterhof. Leider ist man da ganz schön ausgestellt, aber ich glaube, es ist auch eine gute Schocktherapie, um mir nicht immer so viele Gedanken über alles zu machen. Ich habe zu vielen Leuten begeistert erzählt, wie gut das funktioniert und eine Freundin meinte darauf am Samstag: «Wow, Misch, du hesch müsse 25 wärde, zum chegge, dass Bewegig guet für dich isch.» Ich musste lachen, denn sie hat ja recht. Doch die meiste Bewegung, die ich wirklich mag, dauert halt länger als 10 Minuten und eignet sich selten als kurze Lernpause. Darum sind meine erbärmlichen Rainbowflick- und Jonglier-Versuche ein guter Lernausgleich. Trotz absoluter Pick-Me-Energy.


Ansonsten ist es gerade wieder relativ warm. Meistens so 20 Grad, was ich liebe. Ich glaube, was ich am Sommer am meisten mag, sind die Sporthosen. Du weisst, ich lebe in Sporthosen, sobald es warm ist. Natürlich (leider) nicht zum Arbeiten, aber sobald ich zuhause bin am Mittag, werden die Shorts montiert. Dann muss ich mich auch nie fürs Training umziehen. Ich freue mich, auf die kommenden Sporthosentage – das ist einfach ein Lebensgefühl, an das für mich wenig anderes rankommt.


Ansonsten ist nicht sooooo viel geschehen. Weil ich nicht lernen will, mache ich mehr Sport als sonst, was mir guttut, meinem Stresslevel halt aber nicht nur hilft. Ich habe mein Rennvelo endlich geflickt (ich fühle mich immer wie die grösste Macherin, wenn ich einen Schlauch am Velo wechsle) – Pneu und Schlauchwechsel in 10 Minuten, dörfsch mer du säge. Ich telefoniere viel mit meinem Bruder, stricke viel, hänge mich P. auf dem Balkon rum, lese Sachbücher über griechische Mythologie, Fussball und verschiedene Formen von Liebe. Und dann war dieses Wochenende natürlich noch ESC in Basel. Das kann ich nicht einfach so ausklammern. Ich hab nicht sonderlich viel von den Acts mitbekommen trotz Publicviewing, weil ich beschäftigt war mit Trinken, Schreien, Lachen, Glitzer im Gesicht, etc. Standard Ausgang halt. Aber die Stimmung war sehr toll, und trotz Schockmoment als Israel dann fast gewonnen hätte, war es wirklich ein schöner Abend. Ich glaube, es wäre eskaliert in der Stadt, hätte Israel gewonnen. Der kollektive Aufschrei, als Österreich dann mehr als die benötigten Punkte für den Sieg geholt hat, war crazy, aber sehr berechtigt.


Hier die Kategorien – vom ESC hat es leider nichts reingeschafft, was von meiner Ignoranz dem ganzen Event gegenüber zeugt. Ich war kein einziges Mal im Village oder im Square, vielleicht kannst du ja noch mehr dazu sagen.

 

Etwas zum Hören: «H.O.O.D» von Kneecap. Ich schmeisse ihren Film (ebenfalls «Kneecap») hier noch als Zusatzempfehlung rein, ich hab ihn in einer Woche drei Mal geschaut, weil ich ihn so gut fand. Die Band ist sehr cool, sie rappen auf Irisch und waren gerade breit in den Medien wegen ihrer Pro-Palästina Haltung beim Coachella (und generell). Ihnen wurden mittlerweile die Arbeitsvisa für die USA entzogen und sie wurden vom Southside/Hurricane ausgalden (what the fuck?). Darum bitte wenigstens streamen, Leute! 


Etwas zum Lesen: Gerade lese ich «Fever Pitch» von Nick Hornby. Er ist riesiger Arsenal Fan, seit er ein Kind ist, und schreibt eine Biographie anhand von Fussballspielen, die ihn geprägt haben. Sehr herzig, wie er beschreibt, wie Fussballteams und Fangemeinschaften auch seine Freundschaften in der Schule oder seine Beziehung zu seinem Vater geprägt haben. Sehr coole Textform, die mich absolut abholt.


Etwas zum Glotzen: Wie gesagt, ich schiebe meinen Fussballfilm, darum den Youtube Channel «Chris MD». Mein Bruder und ich haben seit langem wieder einen Content Creator, den wir beide mögen und zusammen schauen können und dessen Goals wir nachzumachen versuchen lol. Ihm gelingt es zwar auch selten, aber doch bedeutend öfter als mir. Voila: https://www.youtube.com/@chrismd10


Etwas zum Essen/Trinken: Ganz ranzig, aber es trägt mich ebenfalls durch die Lernphase: selbstgemachter Caramel Frappucino. Ich hab die Mischung mittlerweile so draussen, dass es eins zu eins wie im Starbucks schmeckt. Und trotzdem weniger Zucker hat, was wild ist. Von der Preisdifferenz fange ich gar nicht an.


Ausdruck der Woche: für meinen Bruder: «Unexpected legend in the bagging area.»

 

Eher kurz, ich muss weiter Vorlesungsnotizen zusammensuchen. Auch dir viel Energie für den Semesterendspurt. Ich freue mich auf deinen Geburtstag am Sonntag, du bist nicht ready für den Kuchen, den ich dir backe! Geniess deine Geburtswoche trotz allem <3


Alles Liebe

Michelle


Als Sinnbild für meine Fussball-Phase: Meisterfeier vom FCB
Als Sinnbild für meine Fussball-Phase: Meisterfeier vom FCB

 

 
 
 

1 Comment


joeggelisi
vor einem Tag

Wenn ich mich in ein paar Wochen schon vom besten Kaffee (und der besten Kaffeekultur allgemein) verabschieden muss, dann doch mit Vorfreude auf deinen Caramel-Frappuccino. Schocktherapie nennt sich das.... Grüsse von L. aus Palermo

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