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Liebe Vera

  • Michelle Harnisch
  • 26. Aug.
  • 5 Min. Lesezeit

Ich sage jetzt nicht zu viel zu deinem Brief, ich hoffe, das verstehst du. Wir haben miteinander ja schon viel über all das geredet und tun das immer noch, ich glaube nicht, dass dieses Gespräch hier geführt werden muss. Lieber bei Caramel-Kaffee bei dir oder mir, wenn ich wieder gesund bin! Aber fühl dich gedrückt und ich hab dich sehr lieb <3

 

Es ist gerade Dienstagmorgen, 9.25 Uhr und statt mit meinem Morgenkaffee sitze ich heute eingemummt in meiner WG-Küche, vor mir eine Tasse Neocitran. Deshalb die Verspätung, aber das weisst du ja schon. Ich vergesse immer, wie anstrengend es ist, Fieber zu haben und so wirklich krank zu sein. Mein Körper vergisst dieses Gefühl, sobald er wieder gesund ist, nur damit mich diese Schwere jedes Mal dann wieder ganz unerwartet treffen kann, wenn ich wieder krank werde. Es ist aber schon besser. Gestern habe ich ca. 18 Stunden geschlafen, ich glaube, das hat geholfen.

 

Zum Glück wurde ich erst nach dem Wochenende, also von Sonntag auf Montag krank, sonst hätte ich doch einiges verpasst. Am Freitag waren wir mit einigen vom Team in der Turnhalle, wo wir trainieren, weil Hallenturnier war. Wir spielen in Liestal zwar nie, weil sie keine Damenteams finden, die sich anmelden, aber diese Woche jetzt ist Turnier in der zweiten Turnhalle, wo wir trainieren. Sissach hat weniger Probleme, Teams zu finden. Jedenfalls spielten zwei der Herrenteams und wir sahen ihnen dabei zu (meistens nicht sonderlich aufmerksam). Wir tranken Bier, redeten, ich ass einen Hotdog. Was man halt so macht an diesen Vereinsanlässen. Obwohl L. und ich am nächsten Morgen beide wieder für unsere Restaurant-Schicht während dem Turnier der Kleinen um 8.15 Uhr in der Halle sein mussten, blieb unsere gehabte Vierergruppe viel zu lange sitzen. Ich war um viertel nach 3 im Bett und musste dann um halb 7 wieder aufstehen. War nicht der klügste Move von mir, aber er hat mich an meine Katzenhaus-Zeiten zurückerinnert. Am nächsten Tag dann Kaffee rauslassen für zuschauende Eltern, Hot Dog Brötchen aufbacken und mit L. gemeinsam Sideeyes austauschen. Anschliessend musste ich gleich ins Café, in dem ich diese Woche noch übergangsmässig arbeite. Die Müdigkeit kam zum Glück erst nach meinen beiden Schichten, aber dann hat sie mich krass verwütscht. Es gab schon lange keinen Samstag mehr, an dem ich um 10 Uhr im Bett war. Naja, war aber auch okay. Auch wenn sich die kleine (oder grosse) Stimme in meinem Kopf regte, die mir sagte, am Samstagabend einfach zu Hause zu sein, sei irgendeine Art von Versagen.

 

Am Sonntag dann hatten wir unser Klassentreffen von der Sek. 10 Jahre ist es her, seit wir die Sekundarschule abgeschlossen haben. Das ist irgendwie krass, und ich fand es einen guten Zeitpunkt für ein solches Treffen. Man erkennt zwar in den meisten immer noch ihre 15-Jährigen Ichs wieder, aber trotzdem haben sich alle so sehr verändert. Ich wurde wieder mehrmals gefragt: «Waaaaaaas, du rauchsch?» und «Hä, du trinksch jetzt Alkohol?». Anscheinend nahmen einige an, weil ich das beides mit 15 noch nicht machte, dass das so geblieben sei. Ich mag es nicht, wenn Leute nicht so weit überlegen, dass man sich in 10 Jahren verändert haben könnte. Ich weiss, dass das bestimmt nicht bewusst oder wirklich so gemeint war, aber ich verstehe nicht, warum einige Leute immer noch meinten, mich zu kennen. Macht das Sinn? Das soll auch nicht so wütend klingen, ich finde es einfach wild. Ich meine, natürlich kennen wir uns nicht. Wir haben uns seit 10 Jahren nicht mehr gesehen. Die zwei Stationen, die wir zusammen mit der S-Bahn gefahren sind vor drei Jahren zählen da auch nicht. Naja, es war jedenfalls witzig, fast alle wieder einmal zu sehen.

 

Ich hatte im Vorhinein ein bisschen Angst, dass mich plötzlich ein unbegründetes Nostalgie-Gefühl einholen wird. Dass ich meinem 15-jährigen Ich nachtrauern werde. Doch ich weiss, dass ich mich immer noch auf eine ähnlich intensive Art in Freund*innenschaften, in Verliebtsein, in Hobbys verliere wie damals. Dafür bin ich nicht mehr so unsicher, vertraue mehr in meine Fähigkeiten, bin besser im Reden. Ich habe das Gefühl, an den Dingen, die ich vermissen könnte, habe ich einigermassen gut festgehalten, daher gibt es gar nicht so vieles, dem ich nachtrauern könnte. Das war wirklich eine schöne Erkenntnis. Nur meine Tendenz zum Vergleichen musste ich sehr aktiv beiseiteschieben. Denn Leute, die damals mit mir zur Schule gingen, führen jetzt ein Restaurant, sind Zahnarzt, arbeiten bei Immobilienfirmen, als Schneiderin, ziehen mit ihren Partner*innen zusammen, sind verlobt, etc. Ich bin mitten im Master, habe mich vor acht Monaten getrennt, bin immer noch auf Jobsuche, wohne in einer WG. Ich musste mich auf dem Heimweg sehr aktiv daran erinnern, dass das alles Dinge sind, die ich will. Dass die mir normalerweise völlig genügen. Dass ich mich zu doll in diesen vorgegebenen Plänen und Strukturen verrenne, sobald andere Leute davon erzählen, was sie alles schon erreicht haben. Ehrlich gesagt war ich ganz schön stolz auf mich, dass ich das so trennen konnte und realistischer ansehen kann. Ich bin doch schon weiter gekommen, als ich manchmal denke.

 

Weil ich heute und morgen wohl noch in meinem verschwitzten Bett verbringe, hier noch alles, was ich letzte Woche genossen habe, damit ich mich darauf freuen kann, wenn ich nicht mehr krank bin: 


  • Schwimmen mit dir (aber Grosi-Style wie die alten Frauen morgens im Schwimmbad – Brustschwumm und die ganze Zeit reden)

  • Fantasy Premier League – beansprucht einen grossen Teil meiner Hirnkapazität gerade, aber es ist sehr nice, das alles ausführlich mit meinem Bruder, P. und W. zu besprechen

  • FCB Match (2x) – letzten Samstag war ich beim Cupspiel gegen Biel (6:1 gewonnen) und dann am Mittwoch beim Champions League Playoff Spiel gegen Kopenhagen (1:1). Davor Spaghetti bei uns in der WG, 8 versch. FCB-Shirts mit Bier in unserer Küche, weil man von uns nur 10 Minuten zu Fuss ins Stadion braucht.

  • Gitarre spielen, danke nochmals fürs Ausleihen der Gitarre! Ich muss unsere noch bei Mama holen. Ich bin nicht mehr wirklich gut, aber es ist schön, wieder einmal etwas zu üben. Auch etwas zu üben, dass mir nicht auf Anhieb gelingt übt meine Geduld.

  • L. und S. die im Café vorbeikamen, wo ich gearbeitet habe, mir beim Putzen zusehen und mich bespassen, obwohl sie keine Energie mehr haben.

  • Piadina zum Zmittag <3

  • Wieder einmal Therapie – im Sommer habe ich es zwei Monate nicht geschafft, zu gehen, wegen dauernden Terminkollisionen. War also sehr gut, wieder einmal zu gehen.

  • 1. Normales Training wieder seit meinem Bänder-Überdehnen – war nicht der schlauste Move, ich spürte es am nächsten Tag ziemlich. Aber für meinen Kopf war es dringend nötig, daher bereue ich nichts. Mal schauen, ob am Sonntag doch ein, zwei Spiele drinnliegen.

 

Hier noch die Kategorien:

 

Etwas zum Glotzen: Premier League, gestern war Newcastle gegen Liverpool (2:3) und obwohl wir verloren haben, war es ein gutes Spiel. Die ganzen Transfersachen sind gerade sehr ungünstig bei Newcastle, daher bleibt es immer noch spannend (und sehr anstrengend). Aber ja, Fussball schaue ich gerade oft :)

 

Etwas zum Hören: Auf und Ab von Montez

 

Etwas zum Essen: Die Bagels zum Aufbacken aus dem Coop – bestes Frühstück

 

Etwas zum Lesen: Ich habe meinen Reading-Slump letzte Woche etwas überwunden und habe in einer Woche 5 Bücher gelesen. Ich empfehle aber lieber den E-Mail Newsletter von Hannah Connolly. Es gibt eine lange, kostenpflichtige Version und eine kürzere, gratis Version. Ich habe nur die kostenlose, aber auch die bringt mir sehr viel Freude. Jeden Monat schreibt sie Tipps auf für den nächsten Monat «Romanticising August». Ich mag das sehr. Es ist einer der wenigen E-Mail Newsletter, die ich wirklich aktiv lese und wofür ich mir die Zeit nehme. https://hannahconnolly.substack.com/?fbclid=PAZXh0bgNhZW0CMTEAAaed1EDYKveI7_-RliJTQnlVO41_aWpv3yvlCRDaM6_unKiFJM-Rae-2sRK3NA_aem_RTnPaB412UDiP84Bn0fTPQ

 

Ausdruck der Woche: Neocitran-Delirium

 

So, das war’s auch schon wieder. Mit etwas benebelten Sinnen, aber hoffentlich trotzdem verständlich. Ich freu mich darauf, dich bald wieder zu sehen. Han di gärn!

 

Alles Liebe

Michelle



Unsere View aufs 1:1 gegen Kopenhagen
Unsere View aufs 1:1 gegen Kopenhagen


 
 
 

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