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Liebe Vera

  • Michelle Harnisch
  • 27. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Okt.

Ich bin zu spät, ich weiss, aber gerade ist Herbst, es wird wieder früher dunkel, darum ist das auch okay. Gerade fühlt sich vieles wieder einmal nach viel an, obwohl ich nicht recht sagen kann, woran das liegt. Ich verliere mich wieder etwas fester in meinen Gedanken als üblich, verzettle mich. Eigentlich weiss ich auch, woran das liegt. Ich habe vor drei Wochen meinen neuen Job angefangen, daher musste ich meine ganze Routine über den Haufen werfen und habe noch keine wirklich richtig gute neue gefunden. Irgendwie verliere ich mich ein wenig in diesem Umstellen und bin noch nicht ganz angekommen. Langsam pendelt sich aber alles ein. Bin halt bloss nicht so gut mit Geduld.

 

Sonst bin ich aber gerade in einer ziemlich kitschigen Laune, und bemühe mich, alles ein wenig romantischer zu sehen, als ich das normalerweise vielleicht tue. Grund dafür sind vermutlich die vielen Liebesromane, die ich in den letzten Wochen gelesen habe. Ich habe ziemlich damit gestruggelt, dass ich nicht lese ausserhalb der Uni während des Semesters, habe jetzt aber gemerkt, dass Liebesromane eben gehen. Die lassen sich überall gut lesen, sind meistens ziemlich lustig und geben einfach gute Gefühle. Ausserdem kann ich so einen Roman in drei Tagen inhalieren. Ein Buch zu lesen, dass man nicht aus der Hand legen will, ist eines der schönsten Gefühle. Ausserdem helfen sie mir, viele Dinge nicht so eng zu sehen. Wenn ich mich ein bisschen anstrenge, jedenfalls. Aber dann sind zum Beispiel die vielen Blätter, die es auf unseren Balkon windet, halt nicht mehr mühsam zum Aufwischen, sondern sie geben unserer Wohnung diesen extra Herbst-Vibe. Dekoelemente sozusagen. Oder der starke Wind und das kalte Wetter sind dann einfach Gründe noch einen meiner Wollpullover anzuziehen – je mehr desto besser. Naja, du weisst, ich kann mich gut in Emotionen hineinsteigern. Die guten und die schlechten. Bei den guten versuche ich es aktiver, bei den schlechten passiert es halt manchmal einfach. Als L. mir vom Spaghettiplausch, bei dem ich nicht dabei sein konnte wegen unseres Handballmatchs, ein Tupper von der Gorgonzolasosse (noch nie eine bessere Sosse gehabt, als diese spezifische Sosse, glaube ich), mitgebracht hat, weil sie weiss, wie sehr ich sie liebe, musste ich fast weinen. Aber als wir den Handballmatch mit einem Tor (Buzzergoal, ich hasse das wirklich) verloren, musste ich eben auch fast weinen. Naja. Mein Innenleben ist immer noch sehr chaotisch, meine Therapeutin und ich sind immer noch auf einer (langen) Quest, da wenigstens ein bisschen Ordnung reinzubringen, aber ich habe das Gefühl, mich langsam besser zu verstehen. Spüre die kleinen Fortschritte, die mir selbst plötzlich auffallen. Das ist doch schon mal was.

 

Gerade gibt es doch ganz schön viel, was sehr schön ist. Ich merke, wie ich Kraft zehre aus meinen Freund*innenschaften, dem Stricken, dem Gitarre spielen, den angeregten Diskussionen in der Uni, eben diesen Liebesromanen. Da ist ganz vieles, was hilft gegen diese Kälte und diese Dunkelheit, die sich heute vor allem am Tag nach der Zeitumstellung (und mit einem minimen Kater) wieder etwas einschüchternder anfühlt. Da sind auch ganz viele Leute und Dinge, die Licht reflektieren, das ich in mich aufnehmen kann. Meine Art von Photosynthese wohl.

 

Andere Dinge, die mich gerade umtreiben, die ich gerade mag, die mir viel gegeben haben in den letzten (ausgesetzten) Wochen: ganz kleine Dinge basteln (ich bastle einen Booknook aus Karton, Glacestängeli, Stoffresten, Basteldraht, lufttrocknendem Ton, gaaaaaanz viel Heissleim, etc.); Pullis fertigstricken, die ich vor einem Jahr angefangen habe; mich ohne schlechtes Gewissen einen Nachmittag lang einkuscheln und lesen; Online-Kreuzworträtsel lösen; Spaziergänge mit M. in der langen Erle oder am Birschöpfli oder sonst irgendwo; den Abend im Literaturhaus, wo N. einen mega schönen Text lesen durfte; apérölen mit S. und sich in der Markthalle anschreien, weil die Akustik dort drin einfach the worst ist; die «Finnegan’s Wake» Reading Group vom Englischen Seminar, die ich mit P. besuche, die mich ganz vieles hinterfragen lässt, weil wir in 2 Stunden bis jetzt maximal 1 ¼ Seiten geschafft haben, die aber auch den perfekten Ort für ungeniertes Nerden bietet; apérölen mit J. im Cabaret Voltaire (wo ich zuvor noch nie war, obwohl ich schon hundert Mal vorbeigegangen bin in meiner Züri Bachelorzeit und dort anscheinend der Dada erfunden wurde und alle coolen Leute dort abhingen in den 1910er-Jahren) dort über Bücher reden und den aktuellen Verlagsgossip bekommen; die Limmat Lesung mit den Klimaseniorinnen, die mich mega berührt hat und ebenfalls zum weinen brachte; Rösti ABC; Fussballabende mit verschiedenen Leuten; Champions League Konferenz Streams; Gym mit B. und/oder dir; Feuer im Wald mit Marshmallows und L.; P.s Geburtstag mit Kuchen zum Zmorge und einer Party mit Dart und Tabu; und ganz wichtig, darf ich nicht vergessen: Red Bull hat die Summer Edition in die Peach Edition umgewandelt und jetzt fix ins Sortiment aufgenommen. Wenn das kein Zeichen ist, dass es immer noch aufwärts geht, weiss ich auch nicht.

 

So, fertig mit kitschigem Brief, aber hier noch meine Empfehlungen der Woche:

 

Etwas zum Glotzen: Dieses Video von Lady Gagas «Paparazzi» Auftritt an den  VMAs 2009. Ich habe vage Erinnerungen daran aus meiner Bravo-Zeit, aber ein paar Jahre später habe ich mir das Video dann fast täglich auf Youtube angesehen. Vor ein paar Wochen hat es mir das auf TikTok reingespült und seither habe ich es auch wieder ein paar Mal geschaut. Vermutlich meine allerliebste Award Show Performance. Die Veränderungen am Lied! Die Tänzer*innen! Das Outfit! Die religiöse Symbolik in Popkultur! Das Blut! Wirklich einfach ein Banger!https://www.youtube.com/watch?v=_h6Vc9__kqM (falls du nicht das ganze schauen willst, ab Minute 3 ist mein Lieblingsteil)

 

Etwas zum Hören: «Talk To You» von Sam Fender (ft. Elton John, aber er spielt «nur» Klavier und singt nicht) – mega schönes Lied, das mir seit Erscheinen ständig nachläuft. Und ja, Sam Fender. Das reicht eigentlich schon.

 

Etwas zum Lesen: «Beach Read» von Emily Henry. Eigentlich alles von Emily Henry. Sie hat mich überzeugt.

 

Etwas zum Essen/Trinken: Ich muss die Red Bull Peach Edition (ehemals Summer Edition; die knallig pinke Dose halt) nehmen. Love her!

 

Ausdruck der Woche: Systematische Schnulzenabwertung

 

Ich hoffe, auch du findest Zeit für etwas Photosynthese, Vera! Vielleicht schaffen wir es ja bald wieder einmal zum Spazieren. Oder an d Mäss. Ich brauche jemand, der mit mir «Calypso» fährt!

 

Alles Liebe,

Michelle


Marshmallows am Sonntagnachmittag
Marshmallows am Sonntagnachmittag


 
 
 

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