Liebe Michelle
- Vera Rieger
- 21. Mai 2024
- 4 Min. Lesezeit
Ich gehe nicht auf meine Verspätung ein. Gestern Abend hat uns das erste Sommergewitter beglückt, da musste ich staunend wie ein Kind am Fenster stehen, den wohligen Regengeruch einatmen und die Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen. Leider kam dann dieser Brief zu kurz. Jetzt ist der nächste Morgen und meine Unterwäsche ist in der Waschmaschine, ich musste heute morgen Waschmittel kaufen gehen, da ich unbedingt waschen muss, da ich keine einzige saubere Unterhose mehr habe. Ich trage schon eine von F. lol. Das ist bei mir immer das Zeichen für die 60 Grad Wäsche.
Nun, weg von den Trivalitäten des Alltags, dieser Brief soll vollumfänglich dir gewidmet sein. Es war Pfingsten und Pfingsten bedeutet für uns schon seit langem Pfingslager und für dich dieses Jahr das letzte Mal. Du hast somit ein Punkt deiner Jahres-to-do-liste erreicht: Mit der Pfadi auffhören. Herzlichen Glückwunsch! Da ich finde, dieser Verein ist nicht sehr gut mit Ritualen für Abschiede und Abschlüsse,(irgendwie schaffen wir es nicht einmal einen Finefood-Esskorb für scheidende Leiter zu besorgen) möchte ich dir eine Laudatio schreiben. Ich habe gegoogelt, wie das geht. Ich brauche immer klare Trennungslinien im Leben, vielleicht kennst du das Gefühl. Und ich meine 17 Jahre in so einem Verein und dann plötzlich ist alles irgendwie vorbei, schon ein bisschen krass, auch wenn du natürlich verbunden bleibst. Okay, ich sollte beginnen. Stell dir Publikum vor, das gibt es normalerweise bei einer Laudatio. Das ist nun halt mehr für dich als für die Lesenden. Aber du hast es verdient. Und Kitsch darf. Vielleicht ist es etwas unpersönlich von mir aus. Sicher bin ich auch etwas überfordert.
Liebe Silena
Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um dich für deinen Einsatz in der Pfadi Liestal zu ehren und uns bei dir zu bedanken. Dein jahrelanges Engangement hat massgeblich dazu beigetragen, was dieser Verein heute ist. Zahlreiche Kinder und Jugendliche durften von dir als Vorbild lernen. Aber beginnen wir von vorne. Ich denke, es war so, wie es immer ist: Deine Mutter hat ein Hobby für dich gesucht und es wurde die Pfadi, vielleicht auch dank eines Schuelgspänli. Als kleines, vifes Bienli hast du den Leiter:innen das Leben nicht immer einfach gemacht. Eine meiner ersten Erinnerungen an dich ist, wie du mich damals nach einer "Übung" gefragt hast: "Seisch du dehai, dass du in dr Pfadi frech bisch?". Frech warst du bestimmt, aber auch immer voll von Ideen; die Wörter sprudelten aus dir heraus. Deswegen wurdest du ein Jahr nach deinem Übertritt zu den "grossen" Pfadis und einem kurzen Aufenthalt im damals noch existierenden Fähnli Fuxrütti auch auf den dir würdigen Namen "Silena", die Göttin der Quellen, getauft. Wenn ich mich richtig erinnere, sprudelte bei deiner Taufe leider etwas anderes als Worte aus deinem Mund. Dein Name mag zu sehr nach einem normalen Namen klingen und die unzähligen Male, bei der dich ein Wölfli Selina genannt hat, möchte ich auch nicht in Erinnerung rufen, aber ich muss sagen: Er passt heute noch.
Viele schlammige Sommer-, Pfingst-, und andere Lager und zahlreiche Anlässe durftest du im von dir mitgegründeten Fähnli Corvatsch erleben. Heute kann ich es offen sagen: "blitsch, blutsch, blatsch, Hey, Corvatsch" war keine deiner lyrischen Höchstleistungen. Dann kam das Pioleiter-Anhimmeln. "Mir henn di penetriert, mit me gruusige Lied" zeugt von einem poetischen Reifeprozess, aber der pupertäre Leichstinn schwingt schon noch etwas sehr mit.
Schon früher als gedacht, kam der eigentlich coole Teil. Du wurdest Leiterin. In der PTA hast du dich mit viel Fürsorge um Kinder mit besonderen Bedürfnissen gekümmert, daneben aber auch die Wölfi mit kreativen Ideen im Programm tatkräftig unterstützt. In PTA-Weekends hast du gelernt, wie man mit Einnässen, Wutanfällen und anderem umgeht, das Rollstuhlstossen überliessest du lieber den anderen. Die Leiterkursen hast du das nötige Know-how für die sonstige Planung erworben. Endlich Erwachsen hast du mit den besten die geilste Rotte "Nobäl" gegründet und dies ordentlich abgefeiert. Mit zarten 19 Jahren hast du als Hauptlagerleiterin ein zweiwöchiges Pfadi-SoLa auf die Beine gestellt, danach den Streich gleich wiederholt und für die Wölfe ein Jahr später das WöLa geschmissen. Das schreibt sich so leicht, in einem Satz, aber wir wissen um die unermüdliche Arbeit an zahlreichen Höcks, auf e-Camp und in den Lagern selbst. Tag und Nacht.
Du bliebst motiviert und wurdest Abteilungsleiterin. Vier Jahre lang hast du diese Abteilung in die richtige Richtung geführt, hast Planungsweekends organisiert, mühsames Krisenmanagement übernommen, den Kontakt mit dem Bezirk geführt und alles Mögliche gemacht, was ich mir nicht vorstellen kann. Die kleinen Sachen, machten deinen Einsatz aus. Die Dankeskärtchen, die du liebevoll gebastelt und persönlich geschrieben hast für alle Leitenden. Dein Talent, die Namen fast aller Kinder zu kennen, was dein grosses und ehrliches Interesse and ihnen zeigt.
Als Teil des AL-Teams hast du diesen Verein auch in Alain Berset-Manier sehr bedacht durch die Pandemie geführt. Online-Programm wurde auf die Beine gestellt. Nach dem BuLa bei dein Kleinsten, wolltest du es noch einmal wissen und hast als Pioleiterin dich in diese sehr absurde Welt der 14-17-jährigen begeben. Den Wortschatz hast du schnell erlernt. Deine Einfühlsamkeit hat dazu geführt, dass aus diesen jungen Menschen hervorragende Leitende werden.
Die Liste bleibt inkomplett. Es wäre gar nicht möglich, alles aufzuzählen. Es bleibt uns, danke zu sagen. Obwohl das niemals reichen wird für das, was du an Herzblut und Liebe gegeben hast.
Somit ernennen wir dich offiziell zum Ehrenmitglied der Pfadi Liestal und erhängen dir den Legendenstatus. Mögest du diesen mit sehr viel stolz tragen.
Euses Bescht & zämme wyter
Nokia
Hier trotzdem noch die Kategorien:
Etwas zum Glotzen: Ich glotze nicht mehr. Alle schlagen mir diese "Kronenhalle"-Dok vor. Deswegen als Empfehlung für mich selbst.
Etwas zum Hören: Eigentlich hätte dieser Brief auch sehr viel ESC- Hype sein können, da ich so sehr mitgefiebert und mich über den Sieg gefreut habe. Deswegen einfach nochmals "The Code", aber die Akkustikversion mit Klavier. Und "Wind of change" für dich. Ich pfeife mit ;)
Etwas zum Essen: Kellog's Tresor, bestes Müsli ever, leider auch sehr teuer.
Etwas zum Lesen: Die Palästina-Proteste an der Uni haben uns ja beide sehr aufgeühlt. Darüber hätte ich heute auch mehr schreiben können (es wäre kompliziert) aber ich habe den Fokus anders gesetzt. Ein Artikel, den ich nicht schlecht finde und sogar auf Instagram geteilt habe: https://www.woz.ch/2420/israel-palaestina-und-die-proteste/fuer-die-gleichheit-aller-menschen/!5VKM1G27FNQE
Allgemein mag ich die Berichterstattung der WOZ zu diesem Thema momentan sehr und kann viele meiner Gedanken darin wiederfinden, das gibt etwas Halt, deswegen hier nochmals einer: https://www.woz.ch/!VTHH189M6QRZ
(Einzig die etwas überhebliche Haltung, die Studierenden seien halt noch jung und deswegen auch etwas dumm und naiv und das dürfe auch so sein, finde ich lächerlich an beiden Artikeln)
Alles Liebe
Vera



Kommentare