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Liebe Michelle

  • Vera Rieger
  • 18. Juni 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Was für unglaubliche Bilder, glaub mir, ich bin unglaublich neidisch! Schlechte Wortreimereien beiseite; ich stelle es mir wirklich sehr eindrücklich vor, die Mitternachtssonne zu sehen, jeden Tag am Meer Velo zu fahren und nachts wild zu campieren. Als ich endlich die Lofoten gegoogelt habe, um zu sehen, wo ihr eigentlich genau seid, ist mir eingefallen, dass ich in einem Magazin mal eine Reportage über diese Gegend gelesen habe. Es hatte auch sehr schöne Bilder dabei von diesen roten Häusschen. Diese hatte ich ausgeschnitten und als Collage meinem Bruder auf Geburtstag geschenkt. Habt ihr auch viele von diesen roten Häusschen gesehen?


Jetzt seid ihr ja schon am Ende deiner Velostrecke angelangt, ich hoffe, du konntest die sportfreie Ferienzeit noch etwas geniessen, bevor du dich dann auf die lange Rückreise machen wirst. Aber bald sehen wir uns wieder! Darauf freue ich mich.


Ich war in den letzten zwei Wochen viel am Arbeiten an unterschiedlichen Orten oder an Schulungen oder so. Das mit der ganzen Woche Chillen hatte sehr schlecht funktioniert, es wurden genau zwei Tage. Aber das ist okay, ich habe auch  gemerkt, wieso ich grundsätzlich immer gerne im Service gearbeitet habe. Es beruhigt mich, genau zu wissen, was zu tun ist, die routinierte Arbeit liegt mir. Wenn nichts zu tun ist, wird es aber sehr anstrengend. Und niemals zu viel Gastro, das weisst du ja selbst;)


Aber ich habe unter anderem an der Art gearbeitet, davon möchte ich dir ein paar Eindrücke teilen. Einmal bin ich 3.5 Stunden an einer Garderobe gestanden, ein Mann hat mir seine Tasche hingestreckt mit den Worten: Hier ist mein Leben drinn, ein anderer einen sehr grossen Koffer bei uns deponiert. Glaub mir, ich war sehr versucht, mit dem Leben des Mannes und dem Koffer abzuhauen. Dann hätte ich sicherlich für ein paar Monate ausgesorgt. Es ist tatsächlich überraschend, wie schnell man kreativ wird, wenn man ganz ohne Aufgabe und Einfluss von Geräten eine Zeit lang irgendwo stehen und sich mit seinen Gedanken beschäftigen muss. In dieser Zeit habe ich ein englisches Stand up geschrieben, leider ist es nicht sehr lustig. Ich schreibe oft in meinem Kopf stand up ähnliche Dinge. Das Problem ist nur, dass ich nicht lustig bin und keine Ahnung habe, wie man Witze präsentiert. In einer Gruppe passiert es mir oft, dass ich mir einen Witz ausdenke und diesen ausspreche und dann eine andere Person genau das Gleiche umformuliert wiederholt und alle lachen. Fussballtechnisch gesprochen gebe ich den Pass zum Torschuss, anders gesagt bin ich die Witzvorlage, nicht zu verwechseln mit der Wixvorlage.

 

Ich bin etwas abgeschweift. Okay, eigentlich wollte ich von den stylischen reichen Menschen schreiben, die den Apéro von TATE besucht haben, wo die Chefin des TATE Britain ihr neues Buch verschenkt hat. Für ihre Freunde, versteht sich. All just friends. Obschon der Riesendekadenz macht es Spass, die Outfits dieser Leute zu begutachten. Ich habe gemerkt, dass Sneakers den ultimativen Durchbruch geschafft haben. Auch abends zum Dinner kamen viele mit teuren Turnschuhen. Blazer, Schlaghosen und Nikes, check. Ich stehe da mit der Guestlist in der Hand, versuche meine abgekauten Fingernägel samt schwarzen Rändern und roten Nagellackresten zu verstecken und nicht daran zu denken, dass man sehen kann, dass ich zwei verschiedene Socken trage.  Unabsichtlich.

 

Am nächsten Abend war meine Kurzlesung im Literaturhaus. Das war schön, besonders dass ich danach noch mit der Autorin und der Leiterin des Literaturhauses und ein paar anderen essen konnte. Als ich bedient wurde von der Serviceangestellten im Literaturhauscafé hatte ich kurz den Eindruck, die Seite gewechselt zu haben. Es fühlte sich sehr erhaben an. Maria Marggraf hat übrigens bei meiner Vorstellung einen Satz aus unserem Blog zitiert. Ich kann hier also sagen: Dieser Blog hat es ins Literaturhaus geschafft, check. So weit so gut.


Jetzt noch zu wichtigen Themen: Es ist EM! Du weisst, dass ich bei Meisterschaften immer zum Fussballfan werde. Das finde ich auch voll legitim. Im gemeinsamen Fussballschauen liegt eine kollektive Kraft, die es meiner Meinung nach in keinem anderen Bereich gibt. Es hat etwas Verbindendes, wenn man sich als Gruppe über so etwas Banales wie eine Lederkugel, die in einem Netz landet, freuen kann. Über was könnten ein 60-Jähriger konservativer Banker, eine 25-jährige Serviceangestellte mit Migrationshintergrund und ein 5-jähriger Autist sonst sprechen? Nicht viel, aber über Fussball schon. Als ich an der Sonderschule gearbeitet hatte, war Fussball eines der zentralen Themen durch welches ich zu den Kindern Bezug finden konnte, um nicht nur über Schulisches zu reden. Zum Teil noch Serien, Tik Toks oder Musik.


Natürlich ist es absurd, wie korrupt das ganze Geschäft ist und ich fände es auch schön, wenn Frauenfussball gleich gross wäre wie Männerfussball. Aber es ist immer wieder die Rede von Fussball als Integrations-Motor Nummer 1. Daran glaube ich sehr stark. Dieses Potenzial gilt es auszunutzen! Es gibt keine langweiligeren Menschen als solche, die aus Prinzip kein Männerfussball schauen. Du bist nicht politisch, du bist ein Spielverderber. (Ja extra nicht gegendert, weil meistens sind es dann noch Männer, die sich dadurch als Feministen profilieren wollen, gähn) So weit so gut, beim ersten Schweiz-Spiel habe ich leider die ersten beiden Tore verpasst. Heute Abend spielt Frankreich zum ersten Mal, mein zweites Highlight. Ich bin als erstes für die Schweiz, dann für Frankreich, dann Italien und dann vielleicht Deutschland. Sehr langweilig ja, aber ich mag halt unsere Nachbarn. Und wenn Deutschland im Final ist, können wir nach Lörrach radeln und dort das Finale schauen und stell dir vor sie würden gewinnen, dann gäbe es eine Eskalation und ich tu ich einfach so, als wäre ich auch Deutsche. Da bin ich sehr flexibel. Hauptsache Party. Gerade bin ich etwas ins Fussball-Erzähl-Fieber gekommen. Bei meinem nächsten Brief ist ja immer noch EM, dann möchte ich dir erzählen, wo ich bei den letzten 4 Meisterschafts-Finalspielen war, ich kann mich da noch sehr gut daran erinnern. Ja, einmal wurde ich sogar Weltmeisterin, du kennst die Geschichte schon, aber ich mag sie sehr, also nächstes Mal.

 

Nun zu den Kategorien, Achtung es wird etwas ausführlich:

 

Etwas zum Glotzen: EM obviously, aber auch zwei lustige memes dazu von schiefgegangenen Torjubel: such auf Youtube nach «failed knee slides» UND schau dieses Video: https://youtu.be/42iv34puEfU?si=MsbEvV-weHULxuDq Ich konnte nicht mehr.

 

Etwas zum Lesen: Habe "Feuchtgebiete" im Bücherschrank gefunden. Es war das zweite Buch das ihc von Charlotte Roche las, ich hätte es mir aufgrund dessen, was ich schon gehört hatte, sehr anders vorgestellt. Es ist völlig überzeichnet, aber ich empfehle es trotzdem. Gewisse Tabubrüche sind gut gelungen.

 

Etwas zum Hören: Okay, ein kurzer Moment Geduld für Nerdigkeit bitte. Das neue Billie Eilish Album hat mich leider nicht so sehr überzeugt, irgendwie fand ich es weniger mutig als ihre anderen Sachen. "Birds of a feather" klingt ausserdem wie "last christmas". Das Internet gibt mir recht, ich finde ja bekanntlich zu oft Ähnlichkeiten von Songs und niemand ist meiner Meinung. Nun aber: Addio von Faber. Ich habe sehr viel zu sagen darüber. Beim ersten Mal war ich komplett geflashed, deswegen beim zweiten Mal etwas enttäuschter und dann ging es wieder hinauf. Ich finde es wirklich musikalisch der komplette Banger und höre es rauf und runter. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ich die "sozialkritischen" Texte alle ziemlich peinlich finde. Nach einem halben Jahr rhetorische Figuren studieren nervt es ausserdem unglaublich, wie oft er Zeugmen ("Wirf dein Handy Handy aus dem Fenster und mich auf dein Bett"), Anadiplosen oder Parallelismen whatever benutzt ("Glaub mir es ist einfach, wenn du einfach an dich glaubst"). Und dann immer schön die wortwörtliche Bedeutung eines Wortes mit der sprichwörtlichen verbinden ("Viel zu früh wenn du gehst, Tsunami wenn du kommst") Ich sag da nur; halt deine Fresse und ich mich nicht mehr fern von deinen Texten. Die messages langweilen mich auch etwas, ich habe gecheckt, dass Biederkeit bieder ist, danke Faber. Die Liebeslieder finde ich aber wunderschön und die italienischen Lieder sowieso. Meine Liebnlingslieder sind "sie ist wieder in der Stadt" und "temptation island" und "oddiarsi un po'" vielleicht auch.

 

Etwas zum Essen: Neue Haribo-Gummi-Würmer; die sogenannten "Raupies". Waren leider immer ausverkauft in unserem Herzenscoop während der Prüfungsphase.

 

So,sorry,es wurde wieder einmal lang, auf bald. Peace out, heute muss ich vielleicht wieder einmal einen Job künden. Halleluja wieder einmal. Stay tuned.

 

Alles Liebe

 

Vera



 
 
 

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