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Liebe Michelle

  • Vera Rieger
  • 19. Aug. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Danke für deinen Brief über euren hilarious brat summer im SoLa und deine New York-Sehnsucht. Ich war fasziniert, wie schön du über diese Stadt schreiben kannst, obwohl du noch nie da warst. Oder vielleicht gerade deswegen.


Ich bin jetzt schon eine ganze Woche wieder da und wollte dir eigentlich viel eher von unserer letzten Etappe der Reise erzählen, aber irgendwie kam der Alltag dazwischen. Dafür haben wir jetzt wieder unseren Rhythmus nach der Sommerpause, der wir im nächsten Halbjahr vielleicht konsequenter ohne Verspätungen durchziehen können :) (mal schauen, aber ich bin Fan von lieber zu viel vornehmen)


Nun, wir waren die letzte Woche in South Haven am Lake Michigan auf einem Campingplatz und haben Glamping gemacht. Dazu später mehr. Zuerst möchte ich erzählen, wie wir dort hingelangt sind. Von Chicago aus haben wir einen Greyhoundbus genommen für 2 Stunden, das ist so ähnlich wie Flixbus. Als wir ausserhalb der kleinen "Hafenstadt" (in Anführungszeichen, da Hafenstadt historisch klingt, aber in Nordamerika gibt er keine historischen Dinge im europäischen Sinne) ankamen, haben wir uns erst einmal mittags bei Arby's verpflegt, einer nicht sehr empfehlenswerten Fast Food Kette. Von dort wollten wir ein Uber nehmen zum Camping, der etwa 10 Autominuten im Landesinnern lag (30 Velominuten und 1,5h zu Fuss). Es gab aber kein Uber. Also mussten wir schliesslich den Chef von Arby's (der war sehr nett und kam während des Essen zu uns, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist wie bei einem Sternerestarant) fragen, ob er uns nach seiner Schicht fahren könne, da 1,5 Stunden mit Koffer einer Strasse entlang laufen schon eher unchilig ist. Er willigte ein, aber wir mussten noch bis sechs Uhr warten. Diese Zeit verbrachten wir in einem Sportladen, wo man auch Waffen kaufen konnte und im Dollarstore. Es macht sehr süchtig, wenn alles nur 1.25 Dollar kostet. Dort deckten wir uns auch halbpatzig für unsere Campingzeit ein. Um sechs fuhr uns der Arby's Chef dann zum Camping. Er war sehr zuvorkommend und fragte uns davor auch äussert freundlich, ob es uns etwas ausmachen würde, dass er eine Waffe auf sich trägt, sonst könne er sie auch ins Handschuhfach legen oder hinten ins Auto. F. gewann das Vertrauen mit "unless you want to shoot us", also war alles geregelt und wir stiegen in seinen fetten Pick Up. Davor fragte er noch, ob wir seinen Fahrerausweis zur Sicherheit fotografieren wollten. Aber darauf verzichteten wir, um ihm unser volles Vertrauen zu verpflichten. Die Fahrt lief problemlos, wir kamen bestens bei unserem Camping an.


In der ganzen Woche haben wir nicht so viel gemacht, aber es war sehr schön. Glamping (Glamour Camping) bedeutet, dass wir ein grosses Zelt mit Licht und sonstigem Strom hatten (von einer Solarzelle) mit einem Doppelbett in der Mitte. Das Zelt stand leicht im Wald. Den Camping darfst du dir nicht so vorstellen wie bei uns, denn es handelte sich um eine riesige Lichtung mit sehr wenig Zelt- oder Camperplätzen in der Mitte oder am Rand im Wald. Also nichts mit milimeterweise abgemessenen Parzellen. Dafür gab es Leute, die mit dem Auto 100 Meter gefahren sind, um die Sanitäranlagen zu nutzen (no joke!) oder dreijährige Kinder, die schon mit Go Karts herumgefahren sind. Diese Weite hat mir gutgetan, ich habe aber auch gemerkt, dass ich einfach ein Campinggirly bin. Ich fühle mich selten so ausgelassen und innerlich ruhig, wie wenn ich den ganzen Tag draussen bin. (Vielleicht hat es auch geholfen, dass es nur bei der Rezeption WLan hatte) Das brauche ich für einen richtigen Sommer, letztes Jahr hat mir das sehr gefehlt. Am Abend konnten wir beim Zähneputzen den Sternehimmel betrachten oder Glühwürmchen fangen und morgens bin ich als erstes bei der Rezeption einen gratis Kaffee holen gegangen, natürlich mit Smore's Sirup oder Hazelnut coffee creaming. Als ich noch Teenager war, sind wir immer mit der Familie 3 Wochen am Mittelmeer zelten gegangen, bevor ich zwei Wochen im Pfadilager war. Ich habe also de fakto den ganzen Sommer draussen verbracht. Darauf war ich lustigerweise immer irgendwie stolz, aber ich merke jetzt, dass sich das eingebrannt hat.


Wir konnten beim Camping Velos mieten, diese waren dann auch unser einziges Fortbewegungsmittel, was nicht unamerikanischer hätte sein können. Bis zum Städtchen am See fuhren wir täglich auf einem komplett geraden Veloweg, der auch dafür gedacht war. Wenn wir aber mit unseren Rädern auf anderen Strassen fuhren oder auch mal einkaufen gingen, waren die Leute schon sehr verwirrt. Im Lake Michigan zu baden war speziell, da es für mich aussah wie ein Meer wegen dem Horizont, man aber am stillen und süssen Wasser merkt, dass es ein See ist. Ich muss zugeben, dass ich das Meer doch noch etwas lieber mag. Die Region ist bekannt für ihre "Brewerys" (Wir fragten uns ständig, wie dieses Wort richtig ausgesprochen wird, eigentlich ist es ein einziger "r"-sound) und wir fanden DIE beste von allen. Es war eine Brauerei, die von drei Frauen geführt wir und "Three blondes brewing" heisst, was für absolute queens. Das Bier schmeckte, aber auch das Essen war das einzig wirklich gute Essen, das wir in dieser Zeit hatten. Also wirklich sehr gut. Ich hatte einen veganen Burger und F. chicken wings mit einer Michigan Cherry Barbecue Sauce. Das waren die besten chicken wings, die ich jemals probiert hatte. Die Brauerei wurde auch zur beliebtesten von 250 Brauereien in Michigan gewählt, deswegen gingen wir gleich nochmals. (Mac'n'cheese war nicht so gut, aber das ist auch einfach ein widerliches Gericht).


Nach dieser Woche Seele baumeln lassen mussten wir uns am letzten Tag wieder fahren lassen, da der Greyhoundbus natürlich auch nur einmal pro Tag fährt. Und zwar nach unserem gebuchten Flug ab Chicago. Also fuhr uns eine sehr nette Frau vom Camping eine Stunde in die nächstgrössere Stadt mit Zugverbindung nach Chicago. Auf diesem Drive überquerten wir auch eine Zeitzone, das ist irgendwie lustig, so salopp mit dem Auto. Ihr Pick Up war NOCH GRÖSSER als der vom Arby's Chef, aber sie war keine Trump Supporterin :) (sie hatte das Thema angeschnitten, wir waren da sehr diskret). Einmal fiel der Satz "My Daughter's husband is a cowboy" und wir dachten uns beide so, 'was bedeutet das genau?', trauten uns aber nicht zu fragen. Für mich ist ihr Schwiegersohn jetzt einfach Lucky Luke. Wusstest du, dass Lucky Luke nicht amerikanisch ist, sondern ein belgischer Comic? Irgendwie nicht erstaunlich, aber für mich war es trotzdem ein mind fuck, da ich mein ganzes frühkindliches Wissen über den Wilden Westen aus diesem Comic habe.


Nun, die Rückreise war anstrengend, mit Jetlag uns so, aber jetzt sind wir wieder da und ich war gleich voll beschäftigt mit der Planung des 100 Jahr Festes unserer Pfadi. Viel mehr habe ich letzte Woche nicht gemacht. Ich vermisse die Staaten ein wenig und kann dir gar nicht genau sagen, warum. So viel in diesem Land ist so dumm, und trotzdem stimmt dieses Gefühl von Freiheit, das so klischeebehaftet ist, irgendwie. Hier habe ich halt auch wieder viele Verpflichtungen, was schön ist, aber zum Teil auch anstrengend. Ferien vorbei halt.


In diesem Sinne muss ich noch zu den Kategorien kommen:


Etwas zum Lesen: F. und ich haben in den Ferien damit begonnen, dass ich ihm abends vorlese (manchmal liest auch er). So haben wir dein Buch gelesen, das war sehr spannend. Nun sind wir leider fertig und warten gebannt auf die Fortsetzung, bis es diese gibt, brauchen wir aber eine neue Lektüre. Deswegen lesen wir jetzt jeden Abend im Bett die Bibel. Die Sprache ist supersimpel und viel zu modern eigentlich. Du magst lachen, aber wenn man die Bibel als Komödie liest, kann es sehr unterhaltsam sein. Und zum Teil ist es wirklich spannend, wegen der vielen Referenzen. Es gibt aber auch sehr langweilige Teile, die sollte man skippen. Wir sind erst auf Seite 12 oder so, ich weiss nicht, ob wir es bis Seite 1300 schaffen. Aber ich empfehle dir die Lektüre. (Wusstest du, dass Noah bei der Arche schon irgendwie 500 Jahre alt war? Crazy oder, dieser Teil wurde früher im Reliunterricht und so immer weggelassen, sonst hätten wir das als Kinder nicht geglaubt - du bist ja auch so leicht christlich aufgewachsen.)


Etwas zum Hören: Beim 3. Mal nervt die Melancholie, aber das neue Album von Benjamin Amaru I always remember all of my dreams mag ich sehr. Bitte sag mir, was beim letzten Lied dein Lieblings-"Life is" ist. Ich sag es dir das nächste mal, du kannst auch raten, was meines ist.


Etwas zum Glotzen: Ich habe tatsächlich in den letzten Wochen alle drei Deadpoolfilme geschaut, aber als MCU-Banausin konnte ich sie nicht so sehr geniessen. Es war schon unterhaltsam, besonders der Neue bedarf aber sehr viel Insiderwissen. Ein anderes Highlight: Die neue Emily in Paris Staffel ist herausgekommen. Wie für viele andere ist diese Serie mein guilty pleasure. Und egal wie schlecht die neue Staffel wird, ich werde sie trotzdem durchsuchten. Deswegen empfehle ich sie jetzt schon. (und natürlich Fall Guy, soviele Glotz-Tipps omg)


Etwas zum Essen: Ich habe mir vorgenommen, mehr im Aldi Süd in Deutschland einzukaufen, um besser meine Woche zu planen und nicht jeden Tag in die Migros zu rennen. Also Aldiessen. Oder Saisonhighlight: Melonen mit Rohschinken.


Wort der Woche: Jetlagperiode.


Alles Liebe


Vera



ree


 
 
 

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