Liebe Vera
- Michelle Harnisch
- 7. Nov. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Vorab: Triggerwarnung Sexuelle Gewalt
Eigentlich möchte ich dem gar nicht zu viel Zeit widmen, aber es beschäftigt mich halt, darum beginne ich trotzdem damit: Ufff, Trump wird wieder Präsident. Vielleicht war ich zu geblendet von meiner linken Geisteswissenschafts-Bubble, aber ich hatte wirklich grosse Hoffnungen für Harris. Auch wenn wir beide (glaube ich zumindest) auch mit ihrer Politik nicht so meeeega einverstanden sind, hätte es eine krasse Bedeutung gehabt, hätte eine schwarze Frau diese Wahl gewonnen. Jetzt hat es stattdessen eine krasse Bedeutung, dass ein Faschist mit 26 Vorwürfen sexuellen Übergriffs die Wahl gewonnen hat. Obwohl mir die Vorwürfe allein schon reichen, finde ich, muss man trotzdem erwähnen, dass er 2023 gerichtlich für einen sexuellen Übergriff verurteilt wurde. Natürlich bekam er eine rein finanzielle Strafe. Wichtig finde ich auch zu erwähnen, dass im Gericht das Wort «Vergewaltigung» nur nicht benutzt wurde, weil damals in New York eine Vergewaltigung nur das nicht einvernehmliche Eindringen eines Penis in eine Vagina war. In jedem anderen Kontext hätte man von einer Vergewaltigung gesprochen (https://www.washingtonpost.com/politics/2023/07/19/trump-carroll-judge-rape/).
In meinem Umkreis sind gerade zwei Meinungen sehr prävalent. Die einen nerven sich, dass so viel darüber geredet wird. Sie sagen dann Dinge wie: «Warum müssen wir uns überhaupt so auf die USA fokussieren, das betrifft uns ja nicht. Wir dürfen dem nicht so viel Raum geben in den Medien», etc. Die anderen sind schockiert, enttäuscht und ehrlich gesagt auch einfach etwas müde. Und auch wenn ich glaube, dass unsere Berichterstattung häufig einen falschen Fokus setzt, finde ich es doch wichtig, dass man daran festhält, darüber zu reden. Vor allem darüber zu reden, wie abgefuckt die Dinge sind, die er sagt. Die er tut. Denn das alles hat eine ungeheure Strahlkraft, die man nicht unterschätzen darf. Während seiner letzten Amtsperiode hat man sich irgendwie an ihn gewöhnt. Ich jedenfalls. Es gab nicht mehr jedes Mal einen Aufschrei, wenn er etwas Schlimmes während einer Pressekonferenz gesagt hat. Aber ich glaube wirklich fest, dass wir uns nicht daran gewöhnen dürfen. Dass wir schockiert und enttäuscht bleiben müssen, darüber reden müssen, warum gewisse Dinge nicht gehen. Auch wenn wir nicht in den USA leben.
So, das war alles, was ich dazu zu sagen habe. Ist auch nichts mega Krasses oder Neues, aber ich wollte es trotzdem festhalten. Sonst passiert auch bei mir gerade nicht so viel. Ich gehe in die Uni, ins Büro, chille viel, obwohl ich Arbeiten schreiben sollte (ja, immer noch die gleichen, ade messi). Ich stricke aber auch viel und lese viel, vermisse das Handballtraining. Denn natürlich habe ich mir eine halbe Woche, nachdem ich meinen Teamsport-Hype-Brief geschrieben habe, die Bänder im rechten Fuss angerissen, lol. Jetzt trage ich 6 Wochen lang eine Schiene und darf nicht rennen. Aber immerhin kann ich schon Physioübungen machen, und so fühlt es sich wenigstens ein bisschen mehr an, als hätte ich das im Griff, als hätte ich Kontrolle darüber, wie mein Körper heilt. Das ist wichtiger, als ich gedacht hätte. Und ich darf immerhin Velo fahren. Fokus auf die positiven Dinge, du weisst. Man muss auch sagen, dass ich praktisch keine Schmerzen mehr habe, die Bänder wirklich nur ganz leicht angerissen sind und ich immer noch sehr viel machen kann. Aber gerade jetzt, wo sich die Tage schwerer anfühlen als sonst, weiss ich, was das Training für ein Ausgleich wäre für meinen so geschäftigen, chaotischen Kopf. Ich drücke mir selbst die Daumen, dass es schnell voran geht.
Sonst ist noch passiert:
Ich war mit S. an der Herbstmäss. Und nach ein paar Jahren gibt es endlich wieder dieses ganz hohe Kettenkarussell. Vor ein paar Jahren (wir waren noch in den Pios, also höchstens 17 Jahre alt), waren wir mit der Pfadi an der Mäss und ich war mit dir auf diesem Karussell. Es steht bei der Kaserne, fast am Rhein und ist laut meiner Google-Suche 85m hoch. Danach ist es einfach nie wieder aufgetaucht, irgendwie sechs Jahre lang. Und jetzt ist es wieder da und ich finde es sehr wichtig, dass wir einmal noch zusammen eine Runde fahren. Ich freue mich!
Ich habe meine Limmat Verlag Kontakte genutzt und war an der Vernissage von Natalia Widlas und Miriam Suters neuem Buch Niemals aus Liebe. Warum Männer töten. Es war kein einfacher Abend, aber ein sehr gelungener, sehr intensiver. Ich habe das Buch noch nicht gelesen, freue mich aber sehr darauf. Ausserdem war es ganz schön, meine Freundinnen wieder einmal zu sehen.
Krimi-Dinner mit der Pfadi. Mein letzter Leiter*innenanlass ever, denke ich. Der Elternrat hat ihn als Dank für uns alle geplant, wie sie das alle zwei Jahre machen. Weil wir viele Leute waren, war es zwar chaotisch, aber trotzdem unglaublich lustig. Chaos auf die beste Weise. Obwohl ein solcher Event normalerweise mein Alptraum wäre (du weisst, wie ungern ich schauspielere, noch dazu peinliche Dinge vor anderen Leuten mache), war es wunderbar. Ein Vorteil war natürlich, dass meine Mutter in besagtem Elternrat ist und mich genügend gut kennt, dass sie mir eine nicht so wichtige Rolle gegeben hat :P
Wir waren am Pubquiz in Liestal, wo wir den 2. Platz geholt haben, obwohl wir die jüngsten waren in dem Ü30 Schuppen. Wir hatten nur einen halben Punkt Abstand zur Sieger*innengruppe, und ich glaube, wir haben die Leute überrascht. Sie hätten nicht gedacht, dass die Gen Z Gruppe mehr 80er-Lieder kennt als sie. Iconic von uns. Auch wenn wir beide nicht so krass geliefert haben wie mein Bruder und L. Props an sie, wirklich.
Dann war noch der 60. Geburtstag von S.’ Vater, der schön war, bei dem ich aber früher gehen musste, wegen oben erwähntem Krimi-Dinner. Nach fünf Jahren kennt man die Familie des Partners halt schon und es ist irgendwie schön, auch erkannt zu werden, als Teil von ihnen angesehen zu werden. Meine Eltern sind etwas jünger als S.’ und ich fand 60 irgendwie krass. Einfach weil bei meiner Familie diese runde Zahl noch nicht gekommen ist. Sehr offensichtlicher Gedanke, aber es hat mir schon auch noch einmal bewusst gemacht, dass wir älter werden und unsere Eltern eben auch (wow).
Etwas zum Lesen: Ich bin immer noch im Fantasy-Film, Sarah J. Maas' Bücher haben es mir mittlerweile (obwohl ich widerwillig war) sehr angetan. Weil ich aber nicht das fünfte Buch in einer Reihe empfehlen will, empfehle ich den Essayband, den ich gestern fertiggelesen habe: First Love. Essays on Friendship von Lilly Dancyger. Sie schreibt darin über verschiedene Facetten ihrer weiblichen Freund*innenschaften und analysiert viele ihrer Aspekte. Die beste Freundin und Cousine der Autorin wurde vor einigen Jahren, als sie beide erst anfangs zwanzig waren, nachts auf dem Nachhauseweg vergewaltigt und ermordet. Sie schreibt auch viel davon, wie sie mit dieser Trauer umgeht, wie es ist, die beste Freundin zu verlieren, was diese Trauer wiederum mit anderen Freund*innenschaften gemacht hat. Nicht immer ganz einfach, aber sehr schön und auch ermutigend. Vor allem die Passagen über Freund*innenschaften in jüngeren Jahren fand ich sehr berührend – sie erinnerten mich sehr an uns und unsere Gruppe im Gymi. Vor allem diese zwei Zitate, die ich rausgestrichen habe:
We created ourselves around each other, like two trees growing intertwined, and soon lost track of where one of us ended and the other began. (33)
We were teenagers then, unabashed in our interdependence, used to seeing each other more days than not. The idea of two months apart required dramatic proclamations of love and remembrance. (67)
Etwas zum Essen: Am Montag habe ich Homeoffice gemacht, bin aber, da unser Herd kaputt ist und wir erst am Freitag einen neuen bekommen, auswärts Zmittag essen gegangen. Ich habe mir in einem italienischen Café etwas zu Essen geholt, bin im Park auf ein Bänkli in der Sonne gesessen und habe gelesen. Darum: Arrancini mit Spinat.
Etwas zum Glotzen: Trixie Mattel ist zurück aus ihrem Sabbatical und sie macht wieder Content mit Katya. Ich habe die alten Videos in der Zwischenzeit mehrmals geschaut, denn ich glaube, es gibt keine zwei Leute im Internet, die ich witziger finde als diese beiden Dragqueens. Ich mag vor allem die Videos, wo sie einfach auf Netflix-Content reagieren: https://www.youtube.com/watch?v=bhtnQUqIa9A
Etwas zum Hören: Um die Tage nicht noch schwerer zu machen, bemühe ich mich um leichte Musik, die ich nicht zu ernst nehmen muss. Darum It Girl von Shirin David.
Wort der Woche: kleinlaut – mein allerliebstes Wort, weil es sich irgendwie widerspricht, weil etwas Kleines und etwas Grosses aneinandergereiht wird, es ist einfach so cool!
Ich glaube, das wars. Etwas chaotisch. Aber gerade ist ja auch vieles chaotisch.
Heb der Sorg und bis morn uf em Chettekarussell! <3
Alles Liebe
Michelle



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